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In den 1970-er Jahren erfolgte in der früheren DDR der Übergang zur industriemäßigen Produktion in der Landwirtschaft. Damit konnte die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsgütern aus eigener Produktion stabilisiert und verbessert werden. Unter dem Dach des Kombinates „Kombinat Industrielle Mast“ mit Sitz in Berlin wurden landesweit Großanlagen für Eierproduktion, Geflügelfleischproduktion (Broiler), Rindermast und Schweineproduktion als staatliche Betriebe (VEB) errichtet. Dort, wo eine hohe Bevölkerungskonzentration war, z. B. Neustadt an der Orla, Kahla, Saalfeld, Rudolstadt, Jena, sollte die Fleischversorgung gesichert werden.
Die Anlage wurde auf der Basis der technologischen und ökonomischen Forschungsergebnisse des Forschungszentrums Dummerstorf von der Landbauprojektierung Potsdam erstellt.
Der Bau wurde von dem Kombinat Industrieller Mast (Sitz Berlin) koordiniert.
Gesamtanlage
An den Standort der Schweinezucht und – mastanlage waren hohe Anforderungen gestellt.
Weitere Voraussetzungen mussten erst geschaffen werden:
S = Schwein
S111 = 6 Ställe mit 340 m Länge für Schweinezucht
S112 = 2mal 6 Ställe je 340m x 24 m für die Zucht. ( 100.000 Plätze)
S114 = Mast (81.000 Plätze) 10 Ställe mit je 290m x 24 m
S110 = Zucht mit Mastanlage (181.000 Stallplätze)
5. Bauphase
Der VEB Schweinezucht und –mast Neustadt/Orla wurde nach 3-jähriger Bauzeit 1978 in Betrieb genommen. Er erreichte 1985 bis 1989 mit mehr als 25.000 t Mastschweinen das Produktionsziel und musste 1991 die Produktion einstellen.
1.8.1973
1973 |
Der Rat des Bezirkes Gera beschließt den Bau einer S-110-Anlage Im Oktober erhielt Herr Ronald Petzold den Auftrag vom Rat des Bezirkes Gera, Bereich Landwirtschaft, als Aufbauleiter zur Errichtung einer Schweinezucht- und Mastanlage im Bezirk Gera tätig zu werden. Der Sitz der Aufbauleitung befand sich in Knau. |
02.01.1974 | Es wurden Baugrunduntersuchung und Vermessungsarbeiten durchgeführt. |
28.1.1974 |
Beginn der Bauarbeiten (Einschlag von 70 ha Wald)
Der Meliorationsbau erschloss ein Straßennetz und begann mit dem Erdbauprojekt. Es galt Höhenunterschiede von 5-6 Metern zu ebnen. Das Landbaukombinat Gera und der Baubetrieb ZBO Pößneck begannen mit den ersten Hochbauten.
Freiwillig halfen Schüler der 9. und 10. Klassenstufe aus der Neustädter Polytechnischen Oberschule Friedrich Schiller in den Ferien im Rahmen der "Lager für Arbeit und Erholung" beim Aufbau.
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Juli 1974 |
Es wurde eine Baustromversorgung ab Ortslage Quaschwitz errichtet. ( Trockentrafo 500 KW ) Im September 1974 wurde aus einem naheliegenden Teich die erste Bauwasserversorgung realisiert. |
1975 |
Vom Oktober bis Juni entstand ein Bohrbrunnen bei Kolba und 8 km Wasserleitung mit Zwischenpumpwerken in Kolba, Oberoppurg und Quaschwitz.
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27. Mai 1976 |
Die Baustelle wurde zum Bezirks - Jugendobjekt erklärt und mit dem Ehrenbanner der FDJ ausgezeichnet.
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1974 bis 76 |
Im Rahmen der internationalen Studentenlager unterstützten Studentinnen und Studenten aus Polen, der Sowjetunion, CSSR, Ungarn, der UNI Jena die Bauarbeiter im Sommer .
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1978 |
(April) Produktionsbeginn durch kontinuierliche Zuführungen von Jungsauen aus bestehenden Zuchtanlagen ( 11.731 Sauen )
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1985 |
Die geplanten 25.000 t Mastschweineproduktion wurde überschritten.
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8.2.1991 |
letzte Ferkelgeburten
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29.5.1991 | Die letzten Schweine werden verladen. |
(Quelle: Prange u. Petzold Universität Halle – Institut f. Tierzucht)
Technische Parameter:
- 814 Arbeitskräfte ( zum Teil im 3-Schicht-System )
- 320 t Futter je Tag
- 112.540 GJ je Jahr Elektroenergie ( 1989 )
- 410.445 GJ je Jahr Heizungsenergie ( 1987 )
- 1.125.690 qm Wasser je Jahr ( 1987 )
- 1.116.000 qm Gülle je Jahr ( 1988 ) ( entspricht ca. 650.000 Einwohnergleichwerten )
Das SZM wurde mit der Belegung im geschlossenen System bewirtschaftet, so dass neben den erforderlichen Betriebsmitteln ( Futter, Wasser, Wärme ) von außen nur noch Sperma zugeführt worden ist.
( Quelle: ebenda )
Wichtige Nebeneinrichtungen im Betrieb waren:
- Fuhrpark
- Werkstätten
- Baubetrieb
- Sägewerk
- Rationalisierungsmittelbau
Kosten: Das war insgesamt ein Bauaufwand von 600 Millionen Mark der DDR.
6. Erstbelegung ( Zucht )
Am 28. April 1978 konnte die Produktion mit dem Zukauf von Jungsauen aufgenommen werden. Produktion und Bau liefen nun parallel.
4 Zuchtbetriebe haben die Erstbelegung mit Jungsauen unterstützt. ( z.B. Beutenberg bei Leipzig, um gute Jungsauen zur Verfügung zu stellen )
Züchtung
Zwölf Mitarbeiter haben die ganze Züchtungsarbeit erledigt. Produktion und Züchtung ergänzten sich gegenseitig. Die Sauen wurden künstlich besamt.
7. Futter
Es wurden etwa 10 Sorten Futter (am Tag 320 t) verabreicht. Im Jahr 120 000 bis 125 000 t. Das Mischfutter wurde vom Mischfutterwerk Niederpöllnitz angeliefert.
Futterwagen im Jungsauenbereich
8. Hygiene
Jeder musste frisch geduscht die Ställe betreten und erhielt komplett frische Wäsche.
Jedes Blatt Papier, das in den so genannten Weißbereich musste, wurde seuchentechnisch bearbeitet.
Für Ersatzteile, Maschinen und Geräte galt das Gleiche. Sie mussten durch eine Großschleuse.
Die Kontrolle des Hygiene- und Seuchenschutzprogramms erfolgte durch das Forschungszentrum in Dummerstorf bei Rostock und die Karl - Marx - Universität in Leipzig.
9. Was geschieht mit 26000 t Lebendvieh?
Jede Woche wurden ca. 4000 Schweine an das Fleischkombinat Gera verkauft und in den Schlachtbetrieben in Rudolstadt, Gera und Jena verarbeitet.
Das SZM war bis 1990 nur Produzent und hatte keinen weitern Einfluss auf Verarbeitung, Vertrieb bzw. Export. Danach wurde Im Rahmen des Rückfahrens der Anlage auch Lebendvieh exportiert.
Ende der 80iger Jahre wurden auch Mastläufer, minderer Qualität, zur Versorgung verschiedener Garnisonen der Sowjetarmee bereitgestellt. Dazu gab es eine vertragliche Vereinbarung.
10. Gülle
Bei 175 000 Schweinen von der Zuchtsau über Ferkel bis zum Mastschwein fallen am Tag 3000 m3 Rohgülle an. Nach dem damaligen Stand der Technik wurde die Gülle zwei Behältern zugeführt, die jeweils 3000 m3 fassten. Die Rohgülle lagerte einen Tag im Sammelbehälter. Die enthaltenen Feststoffe setzten sich ab und wurden mit Dekantern von der flüssigen Phase getrennt.
1. Stufe der Gülleaufbereitung
Die Dekanter holten aus der Gülle ca. 100 t Feststoffe mit Trockensubstanzgehalt von 30-33% heraus. Das waren fast ausschließlich Schalen aus dem Mischfutter und wurden als Dünger auf die Felder gebracht.
Die verbleibende Flüssiggülle wurde 48 Stunden mit Luft versetzt und der sich bildende Bioschlamm in einen 50.000 m3 Behälter gebracht (2. Stufe).
Bioschlammbehälter
Die noch übrigen 2000 m3 wurden durch die 3. biologische Stufe in 8 Teichen in der Nähe von Plothen über einen Zeitraum von 365 Tagen aufbereitet. Das verbleibende Wasser wurde verregnet bzw. zum Einleiten in die Saale vorbereitet. Die Wasserabgabe wurde von der Wasserwirtschaft auf die Normen kontrolliert und die Abgabemenge festgelegt. Am Ende der biologischen Aufbereitung war das Wasser für eingesetzte Fische verträglich.
Verregnungsanlagen waren in Bucha, Tausa , Plothen, Schöndorf und Volkmannsdorf verlegt. Bei diesem Verfahren entweicht Ammoniak.
Um die Schweinezucht und - mastanlage herum standen vorrangig Fichtenbestände, die besonders empfindlich auf Ammoniak reagieren.
Die Stallluft enthält ebenfalls Ammoniak, das diese Baumbestände geschädigt hat.
Das wurde letzten Endes auch immer wieder zum Gegenstand der Diskussion in der Bevölkerung, weil dieser Geruch zum Teil in den Wohngebieten zu spüren war.
In der heutigen Zeit wird die Gülle in Biogasanlagen aufbereitet. Dabei entsteht Biogas, das keinen Ammoniak enthält.
11 . Belastung für umliegende Dörfer
Für die Anwohner der nahe gelegenen Gemeinden, wo es häufig nach Schweinestall gerochen hat, war das eine enorme Belastung. Quaschwitz und Weira waren besonders betroffen.
1989/90 hat sich die Bevölkerung vehement gegen die Luftverschmutzung gewehrt.
12. Ausbildung/Lehrausbildung
Ab 1974 wurden Lehrlinge gewonnen und in anderen Zuchtbetrieben ausgebildet, damit dann die erforderlichen Mitarbeiter zur Verfügung standen. Die Ausbildung der Lehrlinge erfolgte eigenständig im Betrieb. Am Anfang waren es bis zu 100 Lehrlinge. Später waren es ca. 50 bis 60 Lehrlinge.
Die Lehrlinge waren im Appartementhaus in Neustadt untergebracht. Bad und kleine Küche waren vorhanden. Dort konnten 60 Lehrlinge wohnen. Dazu gab es fünf Erzieher.
In der Anlage arbeiteten 8 Lehrausbilder. 90% der im Betrieb Beschäftigten hatten eine abgeschlossene Berufsausbildung.
Im Betrieb waren sechs promovierte Mitarbeiter und 22 Diplomlandwirte.
Das SZM war der Patenbetrieb der Polytechnischen Oberschule "Karl-Marx" in Neustadt an der Orla.
13. Soziales
Es gab auf dem Betriebsgelände eine Schwesternstation, einen Betriebsarzt der sich drei bis viermal in der Woche um die Belegschaft kümmerte. Ebenso gab es eine Zahnarztpraxis, eine Sauna und Physiotherapeuten.
Ein Kindergarten mit 30 Plätzen wurde gebaut. Die Frauen wurden mit ihren Kindern mit dem „Mutti – Bus“ von Neustadt abgeholt.
Zur besseren Versorgung der Mitarbeiter wurde ein Schlachthaus gebaut. Wurst und Fleisch konnte die Belegschaft dort günstig einkaufen.
14. Arbeitskräfte
Eigens deshalb entstand in Neustadt ein neues Wohngebiet.
Die erforderlichen Arbeitskräfte wurden zum größten Teil mit Buslinien von ihren verstreuten 41 Wohnorten zum Betrieb gefahren. Ebenso gab es im Betrieb einen eigenen Fuhrbetrieb für Personen- und Güterverkehr.
15. Sport
Es gab eine Motorsport - Abteilung mit 10 bis 12 Motorrädern. Der MSV Neustadt. Der Betrieb hatte noch zehn Pferde in Neustadt. Dafür wurde auch eine Reithalle gebaut.
In Neustadt – Süd wurde die Wohn - Sportgemeinschaft gefördert.
16. Urlaub und Erholung
In Saaldorf hat sich die Schweinezucht- und Mastanlage am Ferienobjekt mit drei Millionen Mark beteiligt. Sie besaß dort Finnhütten. Auf der Insel Usedom beteiligte sich der Betrieb am „ Waldhof“ in Trassenheide.
17. Eisenbahnanschluss - nicht vollendet (graue Linie)
Zur Entlastung der Transportbelastung über die Straße wurde 1983/84 ein Anschlussgleis ab Bahnhof Knau geplant.
120.000 t Futter im Jahr und bis zu 26.000 t Lebendvieh sowie 32.000 t Rohbraunkohle mussten jährlich per LKW transportiert werden.
18.Technische Daten auf einen Blick
Ca. 50 Bau- und Ausrüstungsbetriebe waren am Aufbau beteiligt.
6000 Elektromotoren
4 Notstromaggregate
Überblick:
1.8.73 Rat des Bezirkes beschließt den Bau der Anlage
28.01.74 Vermessungsarbeiten
28.04.1978 Produktionsbeginn
05.10.78 erste Abferkelung
1978-84 Baugeschehen und Produktion laufen parallel
1984-85 Umstellung des Heizwerkes von Öl auf
Braunkohle
1990 Schließung des Betriebes
19. Das Aus für die Anlage
1988/89 wurden die Proteste wegen der Umweltbelastungen stärker.
Mündlich wurde zugetragen, dass die Schließung nicht ein Ergebnis der Proteste und Demonstrationen gewesen sei. Die Bauern in Bayern fürchteten die Konkurrenz und hätten auf ihre Landesregierung erfolgreich eingewirkt.
Der Ministerrat der DDR hat dann am 26. September 1990 die Schließung der Anlage festgelegt. Der Treuhandanstalt wurde empfohlen, die Vorbereitungen dafür bis 31. Dezember 1992 zu treffen.
Am 30.6. 1990 waren im Betrieb noch 750 Beschäftigte, am 31.12. 1990 340 Beschäftigte.
Jeder musste einen eigenen Weg finden, um wieder in Lohn und Brot zu kommen.
Das wäre – wie bei vielen anderen Betrieben der Stadt – ein eigenes Kapitel.
Herr Petzold hat dann mit zwei Mitarbeitern in den folgenden sechs Jahren das Unternehmen abgewickelt und das heute dort befindliche Gewerbegebiet vorbereitet.
Quellen:
Hartmut Poser ( aufgenommenes Interview mit Direktor Petzold )
Dorf- und Heimatverein Schöndorf e.V.(Text und Fotos)
Petzold und Prange ( Universität Halle 02.08.1996 )
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft Heft 8 / 2000 ( M. Steiner )
Ignaz Kiechle ( Bundeslandwirtschaftsminister) 24.10.1990
Thüringer Blätter zur Heimatkunde 2006 (64)