Bild Kupferstich Neustadt Orla

002 Polytechnik

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Ohne Filmausschnitt

 

Aus der Cronik der polytechnischen Ausbildungsstätte des VEB (Volkseigener Betrieb)  DRAWEBA (Drahtwebstuhlbau), erarbeitet anlässlich des 25jährigen Bestehens

Mai   1989

 

Mit dem polytechnischen Unterricht sollten Widersprüche zwischen dem Leben und der Schule überwunden werden.

Bereits in den 50er Jahren hatten pädagogische Praktiker die grundlegende Bedeutung der polytechnischen Bildung und Arbeitserziehung erkannt und gemeinsam mit soziali­stischen Betrieben der Industrie und Landwirtschaft be­gonnen, Wege zur praktischen Verwirklichung der poly­technischen Bildung zu erproben.

Es entstand das objektive Bedürfnis, den bisherigen Bildungsbereich der Schule auszuweiten. Grundlagen tech­nischen und ökonomischen Wissens sowie die entsprechenden geistigen und praktischen Arbeitstätigkeiten sollten in einem systematischen Lehrgang in die Stundentafel aufgenommen werden.

 

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Die Betreuer für den Unterrichtstag in der Produktion

 

  Die Allgemeinbil­dung wurde mit einem neuen Unterrichtsbereich  vervoll­ständigt, dem  obligatorischen polytechnischen Unterricht von Klasse 7 an, der auf den Vorleistungen des mathematischen -, naturwissenschaftlichen -,  gesellschaftswissenschaftlichen -, des Werk - und Schulgarten Unterrichtes aufbaute.

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Die Lehrer

 

 

Die Polytechnische Ausbildungsstätte des VEB DRAWEBA in Neustadt

von Joachim Zeymer unter Einbeziehung der oben genannten Chronik

 

Wichtige Festlegungen zur Einführung des poly­technischen Unterrichts enthielt die Anweisung über die Stundentafeln der allgemeinbildenden Schulen für das Schuljahr 1958/59. Das wesentliche Merkmal dieser Anwei­sung bestand darin, dass damit erstmalig in der Stundentafel die Verbin­dung von Unterricht und produktiver Arbeit durch ein ganzes System poly­technischer Bildung kon­zentriert wurde. Das Sys­tem des polytechnischen Unterrichts enthielt in diesen Jahren folgende Elemente:

Klasse 1-4 Werkunterricht, Klasse 5/6 produktionsbezogener Werkunterricht, Klassen 7-12 Unterrichtsta­ge in der sozialistischen Produktion und von Klasse 9 an ein  14-tägiges Prakti­kum, Klasse 8 und 9 Tech­nisches Zeichnen, Klasse 9-12 Einführung in die sozialistische Produktion in Industrie und Landwirt­schaft.

Auf Beschluss des Kreista­ges erhielt der VEB DRA­WEBA im Frühjahr 1964 den Auftrag, als Leitbe­trieb in enger Zusammen­arbeit mit dem örtlichen Rat in Neustadt die Vor­aussetzungen zu schaffen, dass mit Beginn des Schul­jahres 1964/65 der poly­technische Unterricht in Neustadt (Orla) eingeführt werden kann. Nach einge­hender Prüfung wurde festgelegt, dass das ehe­malige Produktionsgebäu­de der in Neustadt ansäs­sigen alten Druckerei in der Pößnecker Straße 4 für den polytechnischen Unterricht ausgebaut wird.

Als Leiter dieser neuen Ausbildungsstätte wurde seitens des VEB DRAWE­BA Herbert Franke be­nannt. Durch die Abtei­lung Volksbildung wurde Erich Manusch als leiten­der Lehrer für den theore­tischen Unterricht beru­fen. Nachdem die umfang­reichen Reparatur- und Renovierungsarbeiten durch die Betriebshand­werker abgeschlossen waren, wurde mit der Ein­richtung begonnen und im Oktober 1964 konnte die­se Zentrale Polytechnische Ausbildungsstätte (ZPA) ihrer Bestimmung überge­ben werden. Es waren entstanden:

ein Klassenraum für die produktive Arbeit der Klasse 7 bis 10,

 

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ein Werk­unterrichtsraum für den polytechnischen Unter­richt der Klassen 1 bis 6

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sowie ein Fachunterrichts­raum für das Fach Techni­sches Zeichnen.

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Ab September 1964 standen folgenden Lehrkräfte zur Verfügung:

 

Kollege  
Franke Leiter der ZPA          ZPA= Zentrale polytechnische Ausbildungsstätte
Manusch leitender Lehrer und Fachberater TZ  TZ= Technisches Zeichnen
Büchner Lehrer UTP                              UTP= Unterrichtstag in der Produktion
Leukert  Lehrer TZ
Becke Lehrmeister PA                                           PA= Produktionsarbeit
Diem Lehrmeister PA

 

Die Anzahl der Klassen bzw. Schüler entwickelte sich in den Jahren von 1964 bis 1968 wie folgt:

1964 17 Klassen 478 Schüler 
1965 18 Klassen 502 Schüler 
1966 21 Klassen 563 Schüler 
1967 22 Klassen 612 Schüler 
1968 24 Klassen 625 Schüler

 

Bereits 1968 wurden in der Gerberstraße Nr. 2, heute Bibliothek, das Erdgeschoss, das 2. Obergeschoss und der Dachboden vom VEB DRAWEBA angemietet. Es wurden dort Holzroste für die Konsumgüterproduktion (Kellerregale) in Feierabendarbeit  und auch Symmetrieglieder für Antennen gefertigt, die im VEB Antennenwerk Bad Blankenburg benötigt wurden. Diese und weitere Arbeiten wurden dann von den Schülern der Klassen 9 und 10 im PA-Unterricht übernommen.

Bis zum Jahre 1968 wurden in der Zentralen Polytech­nischen Ausbildungsstätte in Neustadt (Orla) nur die Schüler der Neustädter Schulen im polytechnischen Unterricht unterrichtet. Beginnend mit dem Jahr 1969 kamen noch Klassen aus Neunhofen und Oppurg hinzu.

 

Die Entwicklung der Schüler- und Klassenzahlen in den Jahren 1969 bis 1979 sah wie folgt aus:

1969

28 Klassen

644 Schüler

1970

28 Klassen

728 Schüler

1971

28 Klassen

700 Schüler

1972

28 Klassen

728 Schüler

1973

26 Klassen

684 Schüler

1974

27 Klassen

681 Schüler

1975

29 Klassen

754 Schüler

1976

28 Klassen

687 Schüler

1977

30 Klassen

702 Schüler

1978

31 Klassen

698 Schüler

1979

31 Klassen

693 Schüler

1980

31 Klassen

685 Schüler

 

1970 wurde das  Elektrokabinett in der Gerberstraße übergeben. 

 

Das Gebäude Gerberstraße Nr. 2 gehörte bis zum Kriegsende 1945 ursprünglich der Firma Seewald. Nach der Enteignung wurde die Firma zur Wolldeckenfabrik Neustadt Orla  und später zum VEB Wotufa. Das Gebäude der heutigen Bibliothek war Teil der Produktionsstätte. Der zuletzt genutzte Teil war das 1. Obergeschoss, was der Speiseraum der Beschäftigten bis 1971 war.

 

1969 liefen die Vorbereitungen zum Ausbau des Fachunterrichtsraumes „Elektrotechnik“ der im Rahmen des  ESP - Unterrichtes für die 10. Klassen des POS = Polytechnischen Oberschule, genutzt wurde.

 

 

Herr Krahmer und Herr Leisering bauten standardisierte Unterrichtmittel, die in Experimentierrahmen eingeschoben werden konnten. Somit war es schnell möglich Schaltungen zur Mess- und Regelungstechnik, Induktionen und mehr zu demonstrieren bzw. zu untersuchen.

 

Herr Krahmer entwarf die räumliche Ausgestaltung, wie die erforderliche Bestuhlung, Experimentiertische , Stromversorgung über Abnahmepulte usw.

Der  VEB Technische Gebäudeausrüstung (TGA) Neustadt Orla baute den komplizierten Schalt- und Steuerungsschrank. Die Elektriker des VEB DRAWEBA übernahmen die gesamte Verkabelung . Die Firma Lucke brachte im gesamten Haus Außenwand-Gasheizer zur bedienungsarmen Beheizung an. Der VEB Form- und Farbe strich das gesamte Gebäude.

Es wurden 190.000 Mark der DDR (inklusive Schulmöbel) investiert. Nicht gezählt der Wert der vielen Stunden, die von Lehrern und Lehrmeistern geleistet wurden.

1970 wurde das E-Kabinett mit Beginn des Schuljahres 1970/71 eingeweiht und galt als Paradestück, nicht nur im damaligen Kreis Pößneck.

 

Alle 10. Klassen von Triptis, Dreitzsch, Neunhofen, Oppurg und Neustadt wurden hier unterrichtet.

 

 

1972 ging das Gebäude in die  Trägerschaft des VEB DRAWEBA über. Nun wurden durch Um- und Anbauten Toiletten für das Gebäude geschaffen, wozu eigens eine Kläranlage gebaut werden musste.

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Hier wird unter der Leitung von Herrn Krahmer im Rahmen einer Elektrotechnik Arbeitsgemeinschaft eine Uhr gesteuerte Unterrichtsklingel gebaut.

 

Es wurde ein Produktionsraum für Elektroarbeiten neu eingerichtet.

 

Der inzwischen freigezogene Speiseraum im 1. Obergeschoss wurde zum Produktionsraum des  PA- Unterrichtes ( PA =Produktionsarbeit) für die Klassen 9 und 10 erweitert. Hier erfolgte dann die Herstellung von Schaltschränken und Kabelbäumen. Auch andere E-Arbeiten wurden als qualifizierte Übungen mit produktiven Ergebnissen durch die Schüler ausgeführt.

Ein kleiner Raum zur Vor- und Nachbereitung für Lehrer und Lehrmeister entstand zu dieser Zeit im 1. Obergeschoss. 

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Da den Schü­lern in Triptis, Knau und Dreitzsch kein Elektrokabinett zur Verfügung stand, wurden diese 200 Schü­ler zusätzlich von unseren Fachlehrern unterrichtet. Damit stieg die Anzahl der Klassen weiter und es musste immer öfter nach­mittags unterrichtet wer­den, was für die Schüler eine echte Belastung war.

Mit der Aufnahme des Unterrichts in der Karl-Marx-Oberschule wurde die ehemalige Lessing­schule in Neustadt, Kirch­platz 3, nicht mehr für Schulzwecke in Anspruch genommen. Ab 1979 wur­de durch die polytechni­sche Ausbildungsstätte ein Klassenraum im Erdgeschoss als Lagerraum ein­gerichtet. Nach vier Jah­ren Leerstand wurde schließlich festgelegt, diese ehemalige Schule für den polytechnischen Unterricht auszubauen. Im Juni 1982 begann der Um­bau und der erste Klassen­raum wurde für den 1. September 1982 vorberei­tet. Es folgte der Bau eines Verbindungsganges vom Gebäude Pößnecker Stra­ße 4 zur ehemaligen Les­singschule. Der Weg zum Unterricht, auch in das Gebäude Pößnecker Stra­ße 4, sollte damit ab so­fort durch den Eingang Kirchplatz 3 erfolgen. Nach umfangreichen Aus-Um- und Neubauarbeiten  konnte am 1. September 1985 der neue Klassen­raum ESP Klasse 9 und die neue Toilettenanlage übergeben werden.

429 toilette.jpg - 84.07 KB Abriss der alten Toilettenanlage

112.jpg - 240.85 KBAnsicht nach dem Umbau

 

Kurz Zeit danach wurde ein Beschluss gefasst, bis 1988 ein Computerkabi­nett einzurichten, um ei­nen Raum für die Informa­tikausbildung zu schaffen.

 

Eine letzte Veränderung erfolgte 1986.

Mit Beginn des Schuljahres 1986/87 entstand auf 2/3 der Geschossfläche des 1. Obergeschosses das Computer Kabinett, wo für den  Gruppenunterricht 6 Schülerplätze und ein Lehrerarbeitsplatz mit Demonstrationscomputer errichtet wurden.

 Da es wieder an Räumlich­keiten fehlte, musste Wände versetzt bzw. neu errichtet werden. Die neu entstandene Toiletten­anlage wurde aufgestockt  und somit konnten 70 m2  Grundfläche ge­wonnen werden. Das wurde ebenfalls wieder in Fei­erabendarbeit durchgeführt. Nach den Zimmermanns- und Mau­rerarbeiten bis hin zur Elektroinstallation und den erfor­derlichen Renovierungsarbeiten, welche durch den VEB Form und Farbe Pößneck durchgeführt wurden, konnte dieses Com­puterkabinett im Oktober 1988 seiner Bestimmung übergeben werden.

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 Die Produktionsräu­me in der Gerberstraße wurden in die am Kirch­platz überführt. 

Durch die Einrichtung des Maschinenkabi­netts im Jahr 1987 wurden Voraussetzungen geschaffen, dass der Lehrplan in all seinen Teilen erfüllt werden konnte. So standen drei Drehmaschinen, eine Waagerechtstoß­maschine, ein Gewindeschneidautomat so­wie eine Mechanikerdrehmaschine für die Ausbildung der Schüler zur Verfügung.

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Darüber hinaus gab es eine Reihe von Schü­lerarbeitsplätze in Neustädter Betrieben:

  • VEB Metallweberei
  • VEB DRAWEBA
  • VEB Möbelwerk
  • VEB Technische Gebäudeausrüstung

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In Verbindung mit dem Schüler Jugendobjekt im Werk II, in welchem unter Anleitung der Lehrfacharbeiter Eckardt und Lorenz die gesamte Produktion der Handhebelscheren durch­ geführt wird, haben wir sehr gute Voraussetzungen, um alle Schüler entsprechend dem Lehrplan an Werkzeugmaschinen ausbilden zu können.

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Kollegin Ranke mit ei­ner Schülerin in der Abteilung Rechentechnik des VEB DRAWEBA

 

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In den Jahren 1980 bis 1988 entwickelten sich die Schülerzahlen wie folgt!

1981

31

Klassen

668

Schüler

1982

30

Klassen

630

Schüler

1983

31

Klassen

611

Schüler

1984

29

Klassen

601

Schüler

1985

28

Klassen

522

Schüler

1986

27

Klassen

524

Schüler

1987

28

Klassen

489

Schüler

Es wird ersichtlich, dass die Klassenzahl im wesentlichen gleich geblieben ist, bis auf zwei bis drei Klassen aus Neunhofen, welche nicht mehr nach Neustadt (Orla) zum polytechnischen Unterricht kommen. Der Klassendurchschnitt von 26 Schüler ist auf teilweise nur 15 bis 18 Schüler zu­rückgegangen. Die Vorschau für die nächsten Jahre zeigt aber, dassab 1990 wieder ein Ansteigen der Schülerzahlen zu verzeichnen ist.

 

Mit der Wende 1989/90 wurden auch im Bereich des polytechnischen Unterrichts eine Reihe von Veränderungen diskutiert. So sollte ESP (Einführung in die sozialistische Produktion) durch ein Fach „Technik" oder Arbeitslehre ersetzt werden. Des Weiteren wurden Überlegungen angestellt, ein zwei­wöchiges Praktikum statt der PA (Produktive Arbeit) durchzuführen.

Im Zuge dieser Veränderungen hatte auch DRAWEBA die bisher von der Polytechnik als Computer- bzw. Elektronikkabinett ge­nutzten Räume in der Gerberstraße an die Kommune abgegeben. Die Polytechnik ge­hörte jetzt ganz zum Bildungswesen, die Ausbildungsgemeinschaft Neustadt gab es nicht mehr.

So bemühte man sich, nach bundesdeut­schem Vorbild, den 13-16 jährigen lebens­nahes praktisches Wissen mit auf den Weg zu geben. Es galt, fast gänzlich ohne Lehrbü­cher, die Gesetze der Marktwirtschaft eben­so nahe zu bringen, wie Grundbegriffe der Computertechnik. Die Jugendlichen lernten mit Begriffen wie Kündigung und Kündi­gungsschutz umzugehen, erfuhren von den Rechten und Pflichten eines Arbeitnehmers und Arbeitgebers. Schließlich konnten sich die Schüler der 9. und 10. Klasse ganz haut­nah in der marktwirtschaftlichen Praxis er­proben, in einem so genannten Schnupper­praktikum.

Mit Beginn des Schuljahres 1992/93 erfolgte nun auch der Unterricht in den Fächern Wirt­schaft und Recht (für die Realschüler) und Wirtschaft und Technik (für die Hauptschü­ler) in den beiden Regelschulen von Neu­stadt. Die Unterrichtsräume des Polytechni­schen Kabinetts wurden geräumt und die Unterrichtsmittel auf die zwei Regelschulen aufgeteilt. Dies besiegelte zugleich das En­de der Durchführung des theoretischen und praktischen Un­terrichts in den Räumen des Polytechnischen Kabinetts.

 

Mit diesem Schreiben des VEB DRAWEBA wird das Aus der Polytechnik im Neustadt besiegelt.

Ich fand es im Stadtarchiv.

eine grafik

 

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